Drei Fragen an Alexander Odefey
Alexander Odefey, Autor unseres Bandes Emil Artin. Ein musischer Mathematiker, im Gespräch mit dem Präsidenten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Ekkehard Nümann.
Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Mit dem Algebraiker Emil Artin wirkte an der Hamburgischen Universität ein Mathematiker von Weltrang – und ein vielfach gerühmter, begnadeter Lehrender. Worin besteht seine Leistung und was macht seine Persönlichkeit aus?
Alexander Odefey: Emil Artin gehört zu den großen Mathematikern des 20. Jahrhunderts mit Zahlentheorie und Algebra als seinen Hauptarbeitsgebieten. Besonderen Ruhm konnte er erringen, als es ihm 1927 als jungem Ordinarius in Hamburg gelang, gleich zwei jener 23 mathematischen Probleme zu lösen, die der berühmte David Hilbert im Jahr 1900 vorgestellt hatte. Herausragende Mathematiker sind keineswegs immer gute Lehrer. Artin hingegen konnte auch komplizierteste Dinge verständlich machen und hatte dadurch großen Einfluss auf zahlreiche hochbegabte Studentinnen und Studenten. Als eine intellektuelle Persönlichkeit mit Interesse an Literatur und bildender Kunst zählten Künstler wie der Maler, Grafiker und Bildhauer Heinrich Stegemann zu seinem Freundeskreis. Hinzu kam seine ausgeprägte Neigung zur Musik, so spielte er vorzüglich Querflöte und mehrere Tasteninstrumente.
Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: 1937 wurde Emil Artin entlassen, wegen der jüdischen Abstammung seiner Frau Natascha Jasny, selbst eine Mathematikerin und Fotografin. Die Familie wanderte in die USA aus, wie erging es ihr dort?
Alexander Odefey: Artin empfand eine tiefe Abneigung gegenüber dem NS-Regime und erwog schon 1934 die Emigration. Als befreundete Kollegen in den USA eine Einladung zu einem Gastaufenthalt für ihn und seine Familie an der Stanford University sowie in New York und Princeton organisiert hatten, wurde Artins Gesuch um Beurlaubung abgelehnt, da seine Tätigkeit an der Universität in Hamburg unentbehrlich sei. Nur wenige Monate später folgte dann überraschend seine Versetzung in den Ruhestand zum 1. November 1937 wegen der jüdischen Herkunft seiner Ehefrau. Artin nahm daraufhin sofort ein Angebot der University of Notre Dame in South Bend, Indiana, an und verließ mit seiner Frau und den beiden Kindern Deutschland. Doch der amerikanische Lebensstil war ihnen fremd, und Artin war schockiert über das niedrige wissenschaftliche Niveau an der Universität. Schon im folgenden Sommer 1938 nahm er eine wesentlich attraktivere Stelle an der Indiana University in Bloomington an. Dort nahmen Natascha und er ihr reges gesellschaftliches Leben wieder auf, wie sie es in Hamburg genossen hatten. Zu Beginn der Zeit in Bloomington kam das dritte Kind Thomas zur Welt. Die Berufung an die Princeton University 1946 krönte Artins Karriere in Amerika. Als brillanter Forscher und Lehrer hochgeschätzt, verbrachte er dort 12 erfolgreiche Jahre.
Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Artin kehrt nach dem Krieg in seine akademische Heimat Hamburg zurück. Was erlebte der Remigrant?
Alexander Odefey: Artin ließ sich in Princeton für das akademische Jahr 1956/57 beurlauben und gab Vorlesungen an den Universitäten in Göttingen und Hamburg. Zurück in Amerika, schrieb er seinem Hamburger Kollegen Helmut Hasse, er habe sich bei seinem Aufenthalt dort "so wohlgefühlt wie in den alten Zeiten, vielleicht noch wohler" und habe Heimweh nach Deutschland. Wenn man ihn haben wolle, käme er zurück. Am 1. Oktober 1958 trat er das für ihn neu geschaffene Ordinariat in Hamburg an. In den vier Jahren, die ihm bis zu seinem frühen Tod blieben, gab Emil Artin vielbeachtete Lehrveranstaltungen. Ihm wurden mehrere bedeutende Ehrungen zuteil, darunter die Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen und in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie 1962 die Ehrendoktorwürde der Universität Clermont-Ferrand.
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