Drei Fragen an Maeva Emden

Maeva Emden, Urenkelin von Max Emden, hat unseren neuen Band Max Emden. Hamburger Kaufmann, Kaufhauserfinder, Ästhet und Mäzen mit großer Neugier gelesen und schildert ihre Sicht auf Max Emden im Gespräch mit dem Präsidenten der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Ekkehard Nümann.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Welche Eigenschaften verbinden Sie mit Ihrem Urgroßvater, welches Charakterbild können Sie von ihm zeichnen?

Maeva Emden: Max Emden war ein moderner Mensch, ein Visionär und Ästhet. Besonders gegenüber seiner Heimatstadt Hamburg zeigte er sich als großzügiger Mäzen und engagierter Bürger. Zudem war er ein überaus erfolgreicher Groß- und Einzelhandelskaufmann, war der Wegbereiter für das mondäne Kaufhaus des 20. Jahrhunderts. Mein Urgroßvater liebte die Natur und trieb gerne Sport, besonders Polo und Golf. Beide Sportarten förderte er in Hamburg in sehr umfangreichem Maße. Seine größte Leidenschaft jedoch gehörte der Kunst. Dies zeigte sich in seiner vielfältigen Privatkollektion wie auch im Fördern der Kunst im Allgemeinen. Darüber hinaus unterstützte er die moderne Stadtentwicklung. Er war ein Freigeist und scheute sich nie, seine Standpunkte zu vertreten. Er liebte die schönen Dinge und wusste seinen Wohlstand, für den er hart arbeitete, zu genießen. Sein Motto "Auch Leben ist eine Kunst" steht für sich.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: Gerade wurde bei Sotheby’s in London ein Canaletto versteigert, den einst Ihr Urgroßvater Max Emden besessen hat – 6 Millionen Euro erzielte das Gemälde "Ansicht des Zwingergrabens in Dresden". Wie haben Sie die Auseinandersetzung um die Restitution nicht nur dieses Werkes erlebt?

Maeva Emden: Für meine Familie bedeutete dieses Rückgabeverfahren eine 15jährige, extrem intensive Zeit, die geprägt war von emotionalen Höhen und Tiefen. Es war auch eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit unserer Familie und den historischen Umständen. Die Restitution gehört zum Kampf um Gerechtigkeit und Anerkennung des unserer Familie zugefügten Unrechts, sie ist das Ergebnis hartnäckiger Arbeit. Die notwendige, jahrelange anwaltliche Unterstützung machte den Verkauf des Bildes erforderlich. Wir verstehen bis heute nicht, warum sich die Bundesregierung und ihre Behörden lange so schwer taten, dieses Gemälde zu restituieren, denn es fällt eindeutig unter NS-verfolgungsbedingte Eigentumsverluste. Daher war es eine große Freude und Genugtuung, als die Beratende Kommission die Rückgabe der Bilder empfahl und die Bundesregierung dem letztendlich folgte. Es gibt jedoch weiterhin Kunstwerke, die unserer Familie gehören und sich aktuell unrechtmäßig in Museen oder privaten Sammlungen befinden. Wir werden weiter für Aufklärung und Wiedergutmachung kämpfen, auch hinsichtlich NS-verfolgungsbedingter Grundstücks- und Immobilienverluste in Hamburg.

Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung: "Die Erde hat nicht Glück genug für alle", hat Ihr Großvater geschrieben. Wenn Sie auf sein Leben schauen – was hat er seiner Heimatstadt Hamburg zu verdanken, vor allem aber: Was hat er ihr gegeben?

Maeva Emden: Max Emden war mit seiner Heimatstadt Hamburg emotional eng verbunden. Von hier aus baute er seine Geschäfte und sein Leben erfolgreich auf. Sein Sohn Hans-Erich, mein Großvater, ist hier geboren und aufgewachsen. Die Familie lebte in einem Anwesen in der Jenischstraße, das wir Nachkommen als Sechslinden kennen. Heute befindet sich dort eine Schule. Mein Urgroßvater war mit Hamburg so eng verbunden, dass am Bootshaus auf den Brissago-Inseln im Tessin bis heute das Hamburg-Wappen prangt. Es war sein Heimatzeichen. Max Emden fühlte sich privilegiert, aber er ruhte sich nicht darauf aus. Dass die Erde nicht genug Glück für alle habe, wollte er nicht so stehen lassen. Daher sein Engagement für Hamburg als Mäzen für Kunst, Wissenschaft und Soziales. Der Hamburger Kunsthalle ermöglichte er beispielsweise den Ankauf von Werken. Zudem ging er der Frage nach, wie sich die Lebensumstände in der Großstadt verbessern lassen. Dies verdeutlicht u.a. sein Traktat "Der natürliche Arbeitstag, eine Rechenaufgabe", darin beschrieb er das damalige Leben der Industriearbeiter in den Großstädten als menschenunwürdig. Außerdem beteiligte er sich im Jahre 1910 durch eine Architekturkritik an der Hamburger Reformbewegung und vertrat seine Ansichten über Architektur und Stadtgestaltung in einer Artikelserie in den Hamburger Nachrichten. Die Familie ist dankbar, dass die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung die Biographie von Max Emden in ihrer Reihe der "Mäzene für Wissenschaft" publiziert. Mein Urgroßvater hätte sich geehrt gefühlt.

Die Publikation ist beim Wallstein Verlag erschienen. Sie können Sie in jeder Buchhandlung oder direkt hier erwerben.

Hören Sie hier den Deutschlandfunk-Bericht "Mäzene für die Wissenschaft" vom 1. Oktober 2020.